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Pressedienst Forschung Aktuell 09/2003 |
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[ back ] 15.09.2003 Informatik
Ein Hund mit seinem feinen Geruchssinn lässt sich nicht so leicht nachbauen. Doch einzelne Schnüffelaufgaben können auch Roboter übernehmen. Elektronische Nasen werden zum Beispiel in der Nahrungsmittelindustrie bereits vielfach eingesetzt. Noch sind diese Geräte sehr groß und empfindlich gegenüber Temperaturschwankungen, für manche Aufgaben müssten sie jedoch klein, beweglich und robust sein. Der Physiker Achim Lilienthal arbeitet daran, einen mobilen Roboter mit einem einfachen Riechsinn auszustatten und das sichere Aufspüren von Gasquellen einzuprogrammieren. Der Mitarbeiter am Wilhelm-Schickard-Institut für Informatik der Universität Tübingen am Lehrstuhl für Rechnerarchitektur von Prof. Andreas Zell hat eine Lösungsmöglichkeit gefunden, als er das Problem einfach mal von der gegensätzlichen Seite betrachtet hat.
Doch die Praxis stellt dem Forscher noch ein ganz grundsätzliches
Problem: Die Quelle würde man dort vermuten, wo die Gaskonzentration am
höchsten ist – doch das ist, was die momentane Verteilung angeht,
üblicherweise nicht der Fall. "Die Konzentrationsverteilung des
verdunstenden Alkohols über dem Glas oder auch über anderen Gasquellen hat
man sich in der Robotik lange sehr einfach vorgestellt: wie eine ideale
Verteilungskurve, bei der die Konzentration genau über der Quelle am
größten ist und in allen Richtungen gleichmäßig abflacht, je weiter man
sich von ihr entfernt", sagt Lilienthal. Bei der Verteilung eines Gases im
Raum spielt jedoch ein chaotischer Transportmechanismus eine entscheidende
Rolle: Turbulente Strömungen führen dazu, dass sich hohe
Gaskonzentrationen sozusagen fleckenförmig im Raum verteilen. Außerdem
bilden sich als Folge von Temperaturunterschieden auch in Räumen ohne
Lüftung relativ zeitkonstante Strömungen aus, die ebenfalls eine
asymmetrische Verteilung eines Gases um eine Quelle bewirken. "So kann man
zum Beispiel bei gleichem Versuchsaufbau im gleichen Raum im Sommer und im
Winter völlig unterschiedliche Gasverteilungen beobachten", sagt der
Wissenschaftler. Bei seinen Forschungen zieht sich Achim Lilienthal dennoch geschickt
aus der Affäre: Er hat festgestellt, dass die Turbulenzen über einen
längeren Zeitraum gerechnet eine ähnliche Konzentrationsverteilung
bewirken wie sie ideal-theoretisch angenommen wurde. Er hat eine Methode
entwickelt, mit der man eine solche gemittelte Verteilung auf einer
Konzentrationskarte abbilden kann. Der Physiker hatte für seine
Untersuchungen zwei verschiedene Testsysteme zur Verfügung: Im
schwedischen Örebro nutzte er einen 30 Zentimeter großen Roboter, in
Tübingen einen 75 Zentimeter großen. "Im Test wollte ich feststellen, wie
gut ein Roboter Gasquellen aufspüren kann", erklärt Lilienthal. Auf einem
Spielfeld wurde der Roboter jeweils einen Meter weit weg vom Alkoholglas
in Startposition gebracht. Wenn er zur Quelle kam, wurde das Experiment
gestoppt. "In jeweils drei Stunden andauernden Experimenten gelangte ein
Roboter, der sich immer der momentan höheren Konzentration zuwendet, etwa
30 bis 40 Mal zur Quelle", sagt der Forscher. In einem Langzeitexperiment,
bei dem der kleine Roboter insgesamt fünf Kilometer zurücklegte, hat
Lilienthal die durchschnittlich bis zur Quelle zurückgelegte Strecke
ermittelt. Im Vergleich zu einem zufällig umherfahrenden Roboter hat er
dabei eine Verringerung um bis zu 40 Prozent festgestellt - wobei dieser
Wert von der gewählten Versuchsanordnung abhängt. "Aber es gibt aus diesen Versuchen noch ein schöneres Ergebnis", sagt Lilienthal. Der Forscher hat ein Vehikel umgekehrt programmiert: Die beiden Geruchssensoren hat er über Kreuz mit dem Motor der jeweils anderen Seite verbunden. Der Roboter dreht sich somit von der Seite weg, auf der im Moment die höhere Konzentration gemessen wird. "Wenn man das Experiment wiederholt macht, ergibt dies auf den Spurenbildern des Roboters ein chaotisches Wirrwarr, aber dicht um das Alkoholglas ist der Roboter praktisch gar nicht herumgefahren", beschreibt Lilienthal. Bei dieser umgekehrten Versuchsanordnung lässt der elektronische Wächter die Quelle zuverlässig aus und kann auf diese Weise erst feststellen, dass es sich tatsächlich um eine Gasquelle handelt. Mit der ursprünglichen Anordnung mit ungekreuzter Sensor-Motor-Verbindung ist dies nicht möglich: der Roboter bleibt vor der Quelle nur deshalb stehen, weil er sie mit anderen Sensoren als Hindernis erkannt hat. "Die Lokalisierung nach dem Prinzip 'Exploration und Vermeidung hoher Konzentrationen' dauert zwar relativ lange, kann aber durch den Einsatz mehrer Roboter beschleunigt werden. Bislang ist es die einzige Möglichkeit, eine Gasquelle, die kein Hindernis für den Roboter darstellt, als solche zu erkennen."
Bisher können zum Beispiel in Kaufhäusern oder auf einem ausgedehnten Firmengelände feste Sensoren für Gase oder Feuer installiert werden. Doch da diese nur jeweils einen kleinen Bereich abdecken können, ist die genaue Lokalisierung einer Gasquelle aufwendig und teuer. "Hier wie auch bei der Suche nach dem Brandherd bei Feuer könnte ein mobiler Roboter gute Dienste leisten", beschreibt Achim Lilienthal geplante Anwendungen.
(7297 Zeichen) Nähere InformationenAchim Lilienthal |
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